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Wachstumschancengesetz: Ein Tröpfchen auf den heißen Stein

Deutschland steckt in einer hartnäckigen Wachstumsschwäche. Das reale Bruttoinlandsprodukt verharrte Ende 2023 in etwa auf dem Niveau von 2019 und für die kommenden beiden Jahre ist nur eine leichte Erholung zu erwarten. So treffend beschreibt es Katja Rietzler im gleichnamigen Artikel vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf im Wirtschaftsdienst.

 

In der Tat besteht ein massiver Handlungsbedarf, um die Investitionsschwäche in Deutschland zu überwinden. Nach aktuellen Prognosen dürften die deutschen Bruttoanlageinvestitionen im kommenden Jahr noch mehrere Prozent unter dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019 liegen. Dabei bleibt die Entwicklung auch im kommenden Jahr schwach. Die Rahmenbedingungen für Investitionen sind aktuell sehr ungünstig. Die Finanzierungskosten haben sich stark erhöht, die Energiekosten sind hoch und volatil. Vor allem ist die Unsicherheit groß. Sie betrifft nicht nur Energiepreise, sondern ganz generell den wirtschaftspolitischen Kurs.

 

Vor diesem Hintergrund ist das Wachstumschancengesetz grundsätzlich hilfreich. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah 7 Mrd. Euro in der vollen Jahreswirkung und kumuliert 32 Mrd. Euro im Zeitraum von 2024 bis 2028 vor. Knapp zwei Drittel des Volumens entfielen auf Maßnahmen zur direkten Investitionsförderung. Das umfangreiche Gesetzesvorhaben enthielt auch Maßnahmen zur Stärkung der Liquidität durch einen erweiterten Verlustvortrag. Mit unter 0,2 % des Bruttoinlandsprodukts war der Umfang aber von vornherein knapp bemessen und als alleinige Maßnahme gegen die deutsche Wachstumsschwäche unzureichend. Jetzt sind von den ursprünglich geplanten 7 Mrd. Euro nur noch 3,2 Mrd. Euro übrig.

 

Wichtigste Einzelmaßnahmen sind nun die Ausweitung der Forschungsförderung mit einer vollen Jahreswirkung von 0,9 Mrd. Euro und die Ermöglichung degressiver Abschreibungen auf bewegliche Wirtschaftsgüter mit 0,8 Mrd. Euro. Letztere gab es bereits in etwas großzügigerer Form in den Jahren 2020 bis 2022 auf der Grundlage des zweiten und vierten Corona-Steuerhilfegesetzes, ohne erkennbare Wirkung einer erhöhten Dynamik bei den privaten Investitionen. Grundsätzlich kann eine befristete Möglichkeit zur degressiven Abschreibung ein Baustein sein, um Unternehmen zum Vorziehen von Investitionen zu bewegen. In der aktuellen Konjunkturschwäche kann das hilfreich sein. Eine befristete degressive Abschreibung gibt es auch für neue Wohngebäude (0,4 Mrd. Euro). Die Klimaschutzprämie wurde komplett gestrichen – mit ursprünglich geplanten Ausgaben von 0,4 Mrd. Euro vom Volumen her gering, aber sinnvoll, um transformative Investitionen anzureizen. Immerhin ist der investive Fokus des Gesamtpakets geblieben.

 

Für eine zentrale Ursache der Wachstumsschwäche bietet das Wachstumschancengesetz jedoch keine Lösung: Seit Jahren verzeichnet Deutschland einen großen Investitions- und Modernisierungsstau (Bardt et al., 2019), aber die Politik ist nicht bereit, eine langfristige Finanzierungsperspektive zu bieten, sondern betreibt kurzfristige Finanzierung nach Kassenlage. Auch bei der Förderung der Transformation gibt es keine Verlässlichkeit. So wurden nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts quasi über Nacht Mittel für die E-Mobilität gestrichen. Gleichzeitig investieren China und die USA massiv in die Infrastruktur und locken ausländische Unternehmen mit Subventionen. Die Politik muss Maßnahmen ergreifen, um Investitionen in Deutschland attraktiver zu machen und einen sicheren Rahmen zu bieten.

 

Um die Investitionstätigkeit zu beleben, müsste an vielen Stellschrauben gedreht werden. Zunächst braucht es einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs sowie eine entschlossene und langfristig angelegte Modernisierung der Infrastruktur. Untersuchungen zeigen, dass öffentliche Investitionen regelmäßig private Kapitalausgaben auslösen (Belitz et al., 2020; Bom und Ligthart, 2014). Ein Brückenstrompreis würde Planungssicherheit bei den Energiekosten und eine Absicherung gegen Preisexplosionen schaffen, bis die Gestehungskosten der erneuerbaren Energien ausreichend wettbewerbsfähig sind (Bauermann, 2023). Zudem muss der Netz- und Speicherausbau beschleunigt werden.

 

Mittlerweile setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass Investitionen in Infrastruktur, Transformation und Verteidigung kaum mit dem aktuellen staatlichen Finanzrahmen zu stemmen sind und in Teilen auch eine Kreditfinanzierung notwendig ist. Selbst die Bundesbank spricht sich für Reformen der Schuldenbremse aus (Deutsche Bundesbank, 2022). Das IMK hält eine Erweiterung der Schuldenbremse um eine Golden Rule, eine Übergangsfrist nach Krisen und eine Reform der Konjunkturkomponente für sinnvoll (Dullien et al., 2024a). Anders als die steuerliche Investitionsförderung sind generelle Steuersenkungen kein Beitrag zur Lösung für die Wachstumsschwäche. Während es keine Garantie gibt, dass freie Mittel in Investitionen hierzulande fließen, käme es gleichzeitig zu Mindereinnahmen, die die Finanzierung notwendiger Zukunftsinvestitionen weiter erschweren würden. Das gestutzte Wachstumschancengesetz kann bei der Lösung der aktuellen wirtschaftlichen Probleme allenfalls ein kleines Mosaikteil sein. Es wäre wirksamer, wenn es die Politik nicht durch Bremsmanöver an anderer Stelle wieder konterkarieren würde.

 

Der Blog ist ein Auszug aus dem Artikel »Wachstumschancengesetz: ein Tröpfchen auf den heißen Stein« von Dr. Katja Rietzler vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf, erschienen im Wirtschaftsdienst April 2024, 104. Jahrgang, Heft Nummer 4. Der Text wurde unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de veröffentlicht.